Zauber der Zeit

Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Josephine Vincence und ich bin 16 Jahre alt. Oder, sollte ich lieber sagen, das bin ich einmal gewesen!

Es fing alles an jenem Tag im Sommer an, als unsere Lehrerin mit uns einen Ausflug zur Burg des Königs Vincentros machte. Meine Klassenkameraden erfanden allerhand Spukgeschichten darüber, warum mein Name dem des Königs ähnlich war. Ständig kicherten sie und brachen über ihre Geschichten in schallendes Gelächter aus. Natürlich lästerten sie auch über den König selbst. 

Wenn sie gewusst hätten, das alles wahr ist, hätten sie wahrscheinlich dagestanden mit der Kinnlade bis zum Knie. Oh ja, mein Großvater war ein mächtiger König. Bei ihm habe ich gelernt was es heißt dem hohen Adel anzugehören.

Eigentlich hatte ich es bisher so gut es ging geheim gehalten und in der Schule verdrängt, um kein Aufsehen zu erregen. Das war auch der Grund, warum ich nie jemanden mit zu mir nach Hause nahm. Alles war so schön und einfach für mich gewesen und nun das! Ich hatte mich schon so an das Leben als durchschnittliches Schulmädchen gewöhnt. Warum musste Frau Sielenfels auch den Ausflug auf die Burg meines Großvaters legen!

Kaum betraten wir die große Halle, erinnerte ich mich wieder an alles. Wie ein Film lief mein Leben bei meinem Großvater vor meinen Augen ab. Nicht umsonst hatte mein Großvater meinen Namen geändert. Von Vincentros in Vincence. In der Schule war ich zudem nur mit meinem zweiten Vornamen angemeldet. Auch eine Vorsorge von Großvater. Mein erster Vorname enthält nämlich einen Teil seines Namens. Bei Hofe lautet mein vollständiger Name Lucienna Josephine Vincentros. Das "von" gehört natürlich auch als Titel mit hinein. Also von Vincentros.

Die Führung hätte ich in diesem Fall um einiges besser machen können als unsere werte Frau Sielenfels. Aber was soll's,ein Familiengeheimnis ist und bleibt nun mal geheim.

Mir wäre schon gedient gewesen, wenn meine Klassenkameraden nicht alle möglichen Dinge mit ihren unegalen Fingern durch die Gegend und umgeworfen hätten. Erst recht in meinem Zimmer! Nicht einmal meine Cousine und meine fünf Cousins waren so ungehalten.

Ich muss dazu sagen, das ich bei Großvater schon über 6 Jahre lebe. Er hatte mich aufgenommen, nachdem meine Eltern bei einem Versuch mich zu schützen ihr Leben ließen. Dank meinen Verwandten habe ich das schreckliche Ereignis gut verarbeitet.

Gerade spielte eine Gruppe von Jungen mit meinem Kerzenhalter Ball. Sie warfen ihn hin und her. Immer und immer wieder, höher und weiter. Ich fürchtete schon er würde auf dem Boden zerbersten, als er einem der Jungen entglitt und in hohem Bogen auf die Tür zuflog. Ich schloss die Augen und wartete auf das Klirren. Doch es kam nicht. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich meinen Großvater im Türrahmen stehen. Er hatte den Kerzenhalter fest in der rechten Hand und stellte ihn behutsam zurück auf den angestammten Platz auf dem Regal. Am liebsten wäre ich ihm vor Freude um den Hals gefallen. Der Kerzenhalter war mein einziges Erinnerungsstück an meine Eltern. Doch das wäre zu offensichtlich gewesen.

"Ich verbitte mir jedwaige Spielerei mit dem Eigentum meiner Nichte!", donnerte nun die laute Stimme meines Großvaters auf die Jungengruppe herab,"Noch eine solche Albernheit und ich sehe mich gezwungen allen miteinander Hausverbot zu erteilen!" Damit führte er uns hinunter in den Garten. Jedenfalls hatte er das vor. Doch als er die zerbrochenen Vasen im Speisesaal sah, blieb er abrupt stehen und scheuchte uns mit hoch rotem Kopf aus der Burg auf den Vorplatz. Er war stocksauer. Aber so merkte er wenigstens was für Gesellen sich in meinen Umgang eingemischt hatten. "Hiermit hat die gesamte Klasse absolutes Hausverbot!", polterte er noch um ein Vielfaches lauter als zuvor,"Außer eine! Ihr seid kein Umgang für meine Nichte."

Endlich hatte er es eingesehen. So einfach das Leben als einfaches Mädchen auch ist... es ist nichts für mich.

Er verschränkte die Arme. "Es ist Zeit dir wieder vornehmeren Umgang zu verschaffen! Komm zu mir,Lucienna,meine teure Nichte."

Grinsend trat ich an seine Seite und sah meine nun ehemaligen Kameraden an. Große Augen blickten mir fassungslos entgegen. "Aber...aber du heißt doch Josephine Vincence!", krächzte Frau Sielenfels. "Falsch!", korrigierte ich sie mit ernstem und gleichzeitig triumphierendem Blick,"Ich war nie Josephine Vincence! Ich bin seit ich denken kann Lucienna Josephine von Vincentros. Eine hochadelige Prinzessin erster und einziger Generation der Sarcescer Königsfamilie!"

Das war das letzte Mal, dass ich mit Frau Sielenfels geredet habe.

Seitdem lebe ich wieder Tag ein Tag aus in der Burg und habe einen Privatlehrer.

Das ist nun mal der Zauber der Zeit

Ende

 

 

©Sabrina Goebel



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