Snow

 

Es war einmal in einem fernen Land.

Weit weg von jeder Zivilisation. Dort lebte kein Mensch.

Kein Haus war weit und breit zu sehen. Überall nur Wälder, Wiesen und Felder.

Und doch, auch ohne Menschen, war diese wilde Natur belebt. Im Frühling erblühten die Blumen. Der Sommer brachte Sonne die den großen See erwärmte und Früchte an Bäume und Sträucher zauberte. Die Herbstwinde nahmen das dann alles an dann am End jedes Jahres wieder mit sich fort. Sie malten dafür die Blätter bunt an, ließen Pilze sprießen und Kastanien von den Bäumen regnen.

Zu guter Letzt kam ihre Majestät, der Winter, ins Land und bedeckte alles mit seinem weißen Kristallglanz.

So ging es Jahr für Jahr. Doch wer schuf diese Wunder... Die Antwort darauf war so verwunderlich wie faszinierend.

Pferde!

In jeder Jahreszeit wurde an einem einzigartigen Ort des Landes ein Fohlen geboren. Jedes neue Fohlen war der Beginn einer neuen Jahreszeit.

Zumindest galt das seit vier Jahren für die Zeit von Frühling bis Herbst. Der Winter war in den letzten Jahren eher ein verlängerter Herbst gewesen, da die Winter-Herde keinen Nachwuchs bekommen hatte. Die ganzen Stuten waren entweder zu alt um noch zu Fohlen oder noch mit der Aufzucht der letzter Fohlen beschäftigt, die wiederum erstmal ins passende Alter kommen mussten. Das älteste Stutfohlen der Herde war gerade mal fünf Jahre alt geworden. Es hörte auf den schönen Namen Snowflake. Eine hoch gewachsene Stute mit grau-weiß geschecktem Fell und grauer Mähne. Von Grund auf ein herzensgutes Mädchen. Und klug war sie noch dazu. nur dem Leithengst war sie zuwider. Sie war ihm einfach zu zurückhaltend. Als er mit ihr die Nacht verbrachte, wie es Brauch war, passierte einfach nichts.

Die Tage danach vergingen und Snowflake wurde von der Herde immer öfter schief angesehen. Wenn sie vorbeiging tuschelten die älteren Stuten. Der Leithengst , Crystal, hatte ihnen wohl mitgeteilt, das ein weiteres Jahr ohne Winter drohte. Nach einer Weile hielt Snowflake es nicht mehr aus. Sie ließ die Herde hinter sich und beschloss von nun an allein zu leben.

 

Tag um Tag durchstreifte sie das Land. Traurig sah sie den Fohlen der anderen Herden beim Spielen zu oder nächtigte in ihrem Schutz.

Doch niemals blieb sie lange an ein und demselben Platz. In einer sternklaren Nacht schließlich ließ sie sich allein an einem großen See nieder um zu ruhen. Ihr Spiegelbild im bewegten Wasser betrachtend lag sie da und weinte. Wieder und wieder stellte sie sich selbst die Frage was an ihr so falsch war. Was konnte sie  dafür das Crystal sie nicht wollte. Er war nun mal der Leithengst und wenn er nicht wollte konnte sie daran doch nichts ändern. So gern sie auch Mutter des nächsten Winters sein wollte...

 

Da stupste sie plötzlich etwas am Hals. Snowflake erschrak und sprang sofort auf alle Viere.

Vor ihr stand ein junger Hengst. Quasi ihr männliches Ebenbild. "Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Du sahst so traurig aus, Ist alles in Ordnung?", wieherte der Fremde. Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. "Nein, ist es nicht. Aber wer bist du und was willst du von mir?", prustete sie ihm empört entgegen. Der Hengst kam einen Schritt auf sie zu. Seine hellblauen Augen fixierten Snowflake. "Keine Angst, ich tue dir bestimmt nichts. Ich bin genauso allein wie du. Mein Name ist Snowdancer.", schnaubte er und legte sich vor ihr auf den Boden um ihr zu beweisen das sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Und es sollte Wirkung zeigen. Snowflake fasste Vertrauen zu ihm und legte sich ebenfalls nieder. Nachdem sie ihn erneut gemustert hatte grübelte sie warum er ihr so bekannt vorkam.

Snowdancer bemerkte ihr zögern und stupste sie noch einmal an. Es war das Stupsen was Snowflake schließlich auf den richtigen Gedanken brachte. Mit großen Augen sah sie Snowdancer an. "Das man mich stupst wenn ich nachdenke oder traurig bin, das hat in meinem Leben nur einer gemacht, Ein Kindheitsfreund mit dem ich zusammen aufgewachsen bin bis er irgendwann vertrieben wurde... du bist doch nicht etwa....", schnaubte sie und schluckte. "Hallo Kleines...", wieherte Snowdancer zur Antwort und rieb seinen Kopf an ihrem.

 

Seit dieser Nacht verbrachten die beiden Freunde den Rest des Jahres miteinander. Und so wie das Jahr selbst so änderten auch sie sich.

Aus lang vergessenen Freunden wurde ein sich innig liebendes Paar, das durch dick und dünn ging. Als sich der Herbst dem Ende neigte brachen sie zusammen auf zu dem einzigen Ort an dem sich alle Herden zusammenfanden um ein neues Leben zu begrüßen.

Nur ein Tagesmarsch und sie kamen zu dem großen Wasserfall. Noch während sich die Herden versammelten setzten bei Snowflake starke Wehen ein. Der große Felsen unterhalb des Wasserfalls auf dem jedes Fohlen zur Welt kam war schon nach kurzer Zeit klitschnass vom Fruchtwasser. Ihr Atem wurde schwerer, der Bauch senkte sich unter Druck. Snowdancer legte sich zu ihr und versuchte sie zu beruhigen indem er seinen Kopf an ihren Hals presste. "Es tut weh!", schnaubte Snowflake mit schmerzerfüllter Stimme. "Bitte halte durch, Liebste, es ist gleich da. Ich habe gerade schon den Kopf gesehen.", erwiderte er. Und tatsächlich. Als beide über ihren rücken hinweg nach hinten sahen rutschte das Fohlen endgültig heraus. Sofort drehten sich die frisch gebackenen Eltern zu ihrem kleinen Schützling um und leckten ihn trocken. Das kleine schneeweiße Stutfohlen wieherte sie freudig an als wollte es sagen "Hallo Mama, hallo Papa, da bin ich". Kaum schwieg es wieder begann es prompt zu schneien. Freude machte sich unter den umliegenden Herden breit. "Wie soll der neue Winter denn heissen?", wieherten sie neugierig im Chor. Snowflake und Snowdancer antworteten gleichzeitig wie aus der Pistole geschossen:

"Sie heißt Snow!"

 

 

©Sabrina Goebel

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