Der kristallene Schmetterling.

 

 

Eines Tages, ich flüchtete mal wieder vor den dummen vorweihnachtlichen Streitereien meiner Familie, stieß ich in unserem Anwesen auf eine kleine Raupe. Sie war wohl mit dem letzten gelieferten Blumenstrauß gekommen. Jedenfalls lag sie mitten im Eingangsbereich auf den kalten Marmorfliesen. Da ich nicht wusste ob sie giftig war, zog ich mir den Ärmel mein Fleecejacke bis über die Hand und stupste sie zärtlich an.

Das zierliche eisblaue Tierchen zuckte kurz. Ich atmete erleichtert auf. Es gab also noch eine Chance.

Eilig holte ich aus der Küche ein altes Einmachglas und schob die Raupe mit einem vorsichtigen Schubs hinein.

Um ihr einen Rückzugsort zu bieten nahm ich von der nächsten Anrichte ein Stielstück von den noch nicht verräumten Schnittblumenresten und stellte es schräg hinein. Danach brachte ich das Glas hinauf in mein Zimmer. Kaum hatte ich es auf der Fensterbank platziert, rief mich meine Mutter auch schon zum Abendessen.

 

Der Tisch war reich gedeckt auf einer schneeweißen Tischdecke.

Es gab dreierlei Würstchen mit Sauerkraut und Kartoffeln und dazu schwarzen Tee. Während des Essens schwiegen alle doch hinterher brach meine Mutter wieder einmal eine Lawine vom Zaum. Sie fing an am Tannenbaum herum zu nörgeln. Das er zu klein und zu klapprig wäre.

Mein Vater und mein Bruder widersprachen natürlich und bezeugten lautstark ihr Unverständnis. Und so ging es hin und her.

Jeder gab jedem die Schuld warum etwas nicht wie geplant lief und ich saß mal wieder unbeteiligt dazwischen.

Als sie sich um die Dekoration stritten hatte ich genug. Schnellen Schrittes verließ ich das Esszimmer und zog mich in mein Zimmer zurück.

Dort angekommen warf ich mich aufs Bett und beobachtete die Raupe. Stunden vergingen ohne das ich mich vom Fleck rührte und so wurde ich müder und müder bis ich schließlich noch "Warum können sie nicht einmal an Weihnachten aufhören zu streiten. Ich wünschte sie würden das beenden und den ursprünglichen Sinn des Festes begreifen, so wie früher." seufzte und einschlief. Mein  letzter Blick zum Glas zeigte mir, das die Raupe sich verpuppt hatte. Also schloss ich daraus, das es ihr wieder besser ging und ich beruhigt einschlafen konnte...

 

 

- in der Nacht während meine Retterin schlief entwickelte ich mich weiter. Als der Kokon um mich herum zerbarst hatte mich ihr Wunsch zu einem kristallenen Schmetterling werden lassen. Der Körper weiß wie Schnee und die Flügel so glänzend wie Eiszapfen im Sonnenlicht, reckte und streckte ich mich. Noch vor ein paar Stunden hatte ich um mein Leben gebangt nun war ich hier, dank des großen Herzens von diesem Mädchen. Meine schillernden kleinen Augen auf ihr Bett gerichtet, beobachtete ich sie. Ihr Atem lief ruhig und sie redete im Schlaf. Wiederholt sprach sie ihren Wunsch wie einen Zauberspruch. Jetzt wusste ich was meine Aufgabe war. ich schwang die Flügel und erhob mich hoch in die Lüfte. Einen nach dem anderen besuchte ich die Streithähne und gab ihnen einen Traumzauber der sie auf den richtigen Weg bringen sollte.

Danach setzte ich mich in meinem kleinen Domizil zur Ruhe und erwartete den neuen Tag. -

 

 

Heilig Abend. Als ich erwachte wartete ich schon aus Gewohnheit darauf meine Familie streiten zu hören.

Doch nichts dergleichen geschah. Kein Fluchen, kein Schreien. Nicht einmal eine geschlagene Tür war zu hören.

Ich warf mir einen Morgenmantel über und rannte hinunter ins Wohnzimmer.

Da standen sie alle in festlicher Weihnachtsmontur und begrüßten mich mit einem dreistimmigen "Frohe Weihnachten!"

Der Tannenbaum strahlte hell durch den ganzen Raum, das  Kaminfeuer knackte fröhlich vor sich hin.

Omas alter Plattenspieler leierte eine uralte Platte mit Weihnachtsliedern herunter. War das wirklich meine Familie?

Ich konnte es kaum glauben. Jäh in diesem Moment sah ich auf der Tannenbaumspitze etwas glitzern, das mir sagte es war real.

Ganz dort oben knapp unter der Zimmerdecke saß wahrhaftig ein kristallener Schmetterling. Sowas zierliches und wunderschönes hatte ich zuvor noch nie gesehen. Kurz darauf flog er zu mir herunter und setzte sich auf meine Hand. "Ich habe deinen Wunsch erhört, liebes Kind, bewahre dir dieses reine Herz.", flüsterte er mir zu. Und als er zum geöffneten Fenster flog rief er noch: "Danke das du mich gerettet hast. ..Frohe Weihnachten." Dann verschwand er im Dunkel der Nacht.

 

 

 

©Sabrina Goebel

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